27.1.14

Das Jahr der Pflanzen

Pflanzen sind  … naja, die sind einfach da, oder? Sie wachsen vor sich hin, rühren sich kaum vom  Fleck, schreien nicht, fordern wenig und … sind halt. Grün, auch noch, meistens. Ok, auch mit Blüten, Wurzeln, Blättern, Härchen, Sprenkeln, durchscheinend, kratzig, wohlschmeckend, millimeterklein und meterhoch, tödlich, insektenbefreundet, mondversonnen, salzig, lieblich, gelgefüllt, unter Wasser, in Wüsten, im Frühjahr, Sommer, Herbst und Winter.

Nun gut, sie sind universell, machen unsere Welt aus, sorgen für uns: Mit Nahrung, Brennstoffen, Baumaterial,  unserer Atemluft, Korrektiven für das Klima, sie schmecken oft himmlisch, oft abscheulich, heilen und benebeln uns, färben, gären, fermentieren, wir kleiden uns in sie und schreiben auf ihnen, kurz und gut: Leben ohne Pflanzen ist undenkbar!


Wissen wir das ausreichend? Ist uns bewusst, dass es zwischen 320.000 und 500.000 Pflanzenarten gibt, von denen ein FÜNFTEL vom Aussterben bedroht ist? Wie viele Wildpflanzen kannst du bestimmen? Von wie vielen Pflanzen weißt du, wie du sie verwenden könntest? Welche Pflanze braucht welche Lebensbedingungen und welche Arten sind bedroht – wodurch? Könntest du dich, sagen wir, drei Tage lang im Wald ernähren – von dem, was da wächst?

In naturverbundenen Kulturen heißt es oft, wir sind alle verwandt: Menschen, Tiere, Steine, Pflanzen. Welche Beziehung hast du zu Pflanzen, einer Pflanze? Gehst du Pflanzen besuchen, sprichst du mit ihnen? Welche Pflanze hättest du gerne zur Cousine? Zur Mutter?
Wir beklagen gerne die Beziehungslosigkeit unserer Zeit, zumindest in den Medien ist das ein beliebtes Thema. Pflanzen zeigen sehr schön und auch brutal, wo es da hakt: Es liegt ganz allein an uns, wie fruchtbar und lebendig die Beziehung zu ihnen ist.

Beispiel? Letzten April habe ich ins sorgsam vorbereitete Beet rote Rüben gesät, für ihre Bewässerung gesorgt, mindestens 5 Mal während der Saison den Rücken gekrümmt, um Franzosenkraut, Zaunwinde und ihre Konsorten rund um die Rübchen auszurupfen. Brennesseljauche nicht zu vergessen! (Für die musste ich wiederum die Brennesseln rupfen, mit Regenwasser - auch irgendwo sammeln! - ansetzen und dann täglich einmal die stinkende Brühe umrühren.) Dann durfte ich schon die kleinen Blättchen für Salat ernten, dann die kleinen Rübis, damit Platz ist für die anderen. Irgendwann im Oktober haben wir sie alle geerntet, im Erdkeller sorgsam in eine Kiste geschlichtet. Heute hole ich ein paar, koche sie, schäle sie und gerade schmoren sie im Ofen. (Schmatz!)

Das hat mit Konsumieren nichts zu tun, da bin ich 10 Monate beschäftigt. Dafür ernte ich wiederum eine Freude bis ins Knochenmark, wenn ich die blutrote Rübe verarbeiten darf (weil ich sie ja schon als Baby gekannt habe ;). Wenn ich aber auslasse, gibt es gar nichts, nur verwucherte Erde (eh auch mit tollen Kräutern, aber eben weniger Essen für uns). Und dabei sind rote Rüben geradezu harmlos, was den Aufwand betrifft.

Mehr Marketing für Pflanzen also! Was, wenn es Pflanzen-Werbung gäbe? Ich sehe da beispielsweise eine hochglänzende Doppelseiten-Anzeige, etwa so: Schafgarbe! Das Wundermittel – lässt die glatte Muskulatur entspannen. Einzigartig bei Krämpfen aller Art*. Powered by Nature, oder so ähnlich. Jetzt (im Juli) im Sonderangebot: Spazierengehen, pflücken, trocknen! **
*Über Risiken und mögliche Nebenwirkungen informiert Sie ihr gesunder Menschenverstand, der durch die Beschäftigung mit Pflanzen wieder höchst agil wird.
** Besonders hilfreich bei Menstruationsbeschwerden.


So schaut das aus, denn so eine Idee ist oft zwingend!


Pflanzen im Sonderangebot? Das sind sie ständig! Iss einen Granatapfel und finde darin 500 bis 700 Samen, einen Apfel mit der Anlage für 15 neue Bäume, eine Erdbeere mit etwa 30 Samennüsschen. Paprika? Zucchini? Kürbisse? Verschwendung, wohin man schaut! Vorausgesetzt die Pflanze fühlt sich an ihrem Standort wohl, wird sie dich mit Wohltaten überschütten, mit Brennesselfeldern, Zucchinifluten, Liebstöckelwäldern.

Ich rufe dieses Jahr zum Jahr der Pflanzen aus – das habe ich seit Herbst im Kopf. Seitdem habe ich einen Auftrag zur Online-Gestaltung einer ganzen Flora bekommen (und informative Besprechungen mit Botanikern genossen), zwei Ausstellungstermine sind hereingeschneit, wo ich jedenfalls eine Bilder-Serie zu Pflanzen machen werde und Anfang März gibt es ein GEO-Kompakt zum Thema Pflanze. Außerdem werden wir beim Wochenende Natur Kunst Leben im Mai hier bei uns in den Bergen in weiten Teilen die Kooperation mit Pflanzen suchen.

Außerdem werde ich auf Facebook jeden Monat eine unscheinbare, vielleicht sogar "Unkraut"pflanze beschreiben und beginne im Jänner mit der Vogelmiere.

Das Jahr der Pflanze ist nicht zuletzt dringend vonnöten, um die EU Saatgutverordnung so weit zu verbreiten und mitzugestalten, dass sie nicht nur den großen Konzernen wie Monsanto und deren unseriösen Machenschaften dient, sondern weiter den Tausch und Verkauf von Sortenraritäten ermöglicht und begünstigt. (Unser Garten wird auch dieses  Jahr wieder eine Zelle des Widerstands, mit alten Tomaten- und Rübensorten aus der Toskana, Basilico Neapoletano und den wohlschmeckendsten Stern-Zucchini ever!)

Also unterschreibe, was dir diesbezüglich unter die Nase gehalten wird, informier dich und sei dir klar: Wenn die gewinnen, blüht uns langfristig Supermarkt-Einheits-Gemüse-Brei – was ausstirbt, ist weg! Außerdem Saatgut, das züchtig einmal keimt und seinerseits keine fortpflanzungsfähigen Samen hervorbringen kann (jedes Jahr wieder kaufen, ist der finstere Plan). Und um Vielfalt und die Intelligenz ursprünglicher Pflanzen zu erhalten, braucht es viele, viele eifrige und enthusiastische Menschen, die für ihre Arbeit gefälligst anständig entlohnt werden sollen, statt an den Rand der Kriminalität gedrängt zu werden.

Hier ist ein bisschen Information zum Weiterlesen, in alle Richtungen:

Die großartige Ute Woltron hat zwei sehr hilfreiche und schöne Gartenbücher geschrieben und folgende Aktion zur Saatgutverordnung gestartet:
http://www.utewoltron.at/blog/die-blauen-blumen-der-hoffnung
Buch 1    Buch 2

Alles über die EU-Saatgutverordnung:
http://saatgutpolitik.arche-noah.at/saatgutverordnung
http://www.saveourseeds.org/dossiers/neue-eu-saatgutverordnung.html
https://www.global2000.at/news/eu-saatgutverordnung-zur%C3%BCck-den-start

Ein sehr umfassendes Werk zum Pflanzenverständnis von Wolf-Dieter Storl gibt es hier

Hier gibt es eine große Vielfalt an Saatgut:
www.reinsaat.at       www.arche-noah.at

Susanne Fischer-Rizzi hat außergewöhnlich schöne Bücher über Pflanzen, Bäume, Wildnis und vieles mehr gestaltet.

Hier ist eine Vorschau zum Geo Kompakt Heft.

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